Der Gamma-Stoff by James Gunn

Der Gamma-Stoff by James Gunn

Autor:James Gunn [Gunn, James]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: TTB 340
veröffentlicht: 2014-03-19T00:00:00+00:00


Flowers lauschte angestrengt in die Dunkelheit hinein. War da nicht eben auf der anderen Seite der Tür ein Geräusch gewesen? Ein Klirren oder Rasseln?

Er sprang auf, aber das Geräusch – wenn er es nicht überhaupt nur geträumt hatte – wiederholte sich nicht. Es hatte keinen Sinn, Risiken einzugehen: Er tastete sich in die Ecke hinter der Tür und lehnte sich wartend an die Wand.

»An der Medizin ist nicht nur das Geld interessant«, sagte er leise.

»Sicher«, sagte Mock, »aber man darf auch die wirtschaftlichen Tatsachen nicht übersehen, weil man sonst seinen Beruf nicht richtig ausfüllt. Schau dir die Einkommensteuerrate an. Sie beginnt bei fünfzig Prozent. Bei Zehntausend im Jahr macht sie achtzig Prozent aus. Wie willst du deine Tasche, deine Instrumente, deine Bibliothek bezahlen? Ohne sie kannst du nicht praktizieren. Wie willst du deine Beiträge zur örtlichen medizinischen Gesellschaft, zum Ärztebund und so weiter bezahlen …?«

»Warum ist die Einkommenssteuer so hoch?« wandte Flowers ein. »Warum sind die Instrumente so teuer? Warum sind hundert Millionen Menschen ohne ausreichende medizinische Versorgung zu einem langsamen Dahinsiechen in einem Meer krebserregender Stoffe verurteilt, ohne sich leisten zu können, was die Redner hochtrabend ›die Hochblüte der Medizin‹ nennen?«

»Es liegt an den Lebenshaltungskosten«, meinte Mock. »Man muß bezahlen, was man sich wünscht. Bist du noch nicht dahintergekommen?«

»Nein«, sagte Flowers aufgebracht. »Was meinst du damit?«

Mock sah sich vorsichtig um. »Ich bin nicht so dumm«, sagte er. »Man weiß nie, wer gerade zuhört. Irgendeiner läßt vielleicht sein Bandgerät mitlaufen, nur weil er damit rechnet, daß wir vielleicht einmal ein Wort zuviel sagen. Eines steht jedenfalls fest: Man kann auch zu gesund sein!«

»Wahnsinnige!« murmelte Flowers im Dunkel der Betonzelle. Er ließ sich an der Wand nach unten gleiten, bis er den Boden erreichte. Sie irrten sich alle, Mock und Russ und Leah und die übrigen. In einem anderen Zeitalter hätte man sie auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Er hatte Dr. Cassner solche Ansichten in einer herrlichen dreistündigen Demonstration mikrochiurgischer Virtuosität widerlegen sehen.

Es begann als gewöhnliche Arterienresektion und Transplantation. Das schattenlose Licht über dem Operationstisch flutete kalt und forschend über den zugedeckten Körper des alten Mannes. Die assistierenden Chirurgen und Operationsschwestern arbeiteten mit jener Präzision zusammen, die das Ergebnis jahrelanger Ausbildung und Erfahrung ist.

Die Klimaanlagen summten unaufhörlich, aber Schweiß sammelte sich in unzähligen Tröpfchen auf Cassners breiter Stirn und rann nach unten in seine Maske, bevor die Schwester ihn mit steriler Watte abtrocknen konnte.

Aber Cassners Hände ruhten keinen Augenblick. Sie waren selbständige, vom Körper losgelöste Organe. Seine Finger bedienten die komplizierte Steuerung der Chirurgiemaschine mit einer Sicherheit, einer Geschicklichkeit, wie sie in diesem Teil des Landes, vielleicht in der ganzen Welt nicht erreicht wurde. Genie ist unnachahmbar.

Flowers sah mit einer hypnotisierten Faszination zu, vor der die Zeit nichtig wurde. Die Skalpelle schnitten mit unheimlicher Präzision durch die Haut, legten die geschwollenen alten Arterien offen. Geschickte Metallfinger klemmten sie ab, schnitten sie auseinander, ein lyophiliertes Transplantat, und pfropften die gesunde junge Arterie auf den Stumpf der alten; die Wundnaht-Maschine trat sofort in Aktion, bestäubte das freigelegte Gebiet mit Antibiotika, klemmte die Inzisionsränder zusammen



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